Der 10-Stunden-Arbeitstag in der Apotheke – Herausforderung mit Potenzial
Die Diskussion um längere Arbeitszeiten hat in Deutschland an Fahrt aufgenommen: Die Bundesregierung erwägt, die tägliche Höchstgrenze von acht beziehungsweise zehn Stunden zu lockern und stattdessen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit nach europäischem Vorbild einzuführen.
Im Gespräch mit der Apotheken-Fachzeitschrift „Die erfolgreiche Apotheke“ zeigt unser Geschäftsleiter Jens Gerstenecker die Chancen hinter der Herausforderung auf.
Im Unterschied zur aktuellen Situation wären 10-Stunden-Tage keine Ausnahmen mehr, die in vorgegebenen Fristen wieder reduziert werden müssten, sondern könnten für manche Mitarbeiter zur Regel werden. Für Apotheken eröffnet dies neue Spielräume – denn wo bisher starre Tagesgrenzen galten, könnten künftig flexiblere Modelle greifen, die Versorgungssicherheit und individuelle Bedürfnisse besser miteinander verbinden. Eine gesetzliche Neuregelung würde dafür den entsprechenden Rahmen schaffen.
Mehr als nur lange Schichten
In vielen Apotheken sind 10-Stunden-Schichten längst Realität – bedingt durch lange Öffnungszeiten, einen hohen Beratungsbedarf und akuten Fachkräftemangel. Auf den ersten Blick klingt das nach Mehrbelastung. Doch richtig organisiert können längere Schichten auch Vorteile bringen: Mitarbeitende erhalten größere Freizeitblöcke, weniger Pendelwege und die Möglichkeit, ganze freie Tage für Erholung oder private Termine zu nutzen. Für Apotheken bedeutet es mehr Planbarkeit und eine größere Bandbreite an Schichtmodellen, die individuell zugeschnitten werden können.
Ein zusätzlicher Vorteil: Durch die Bündelung von Arbeitszeit entstehen weniger Arbeitstage pro Woche – und damit weniger Fahrten. Das spart nicht nur Zeit und Kosten für die Mitarbeitenden, sondern wirkt sich auch positiv auf die Umwelt aus. Für viele ist es zudem motivierend, wenn durch lange Schichten zusätzliche freie Tage entstehen, die etwa für Weiterbildung, Hobbys oder Familienzeit genutzt werden können.
Belastung begrenzen – Gesundheit stärken
Natürlich dürfen Belastungsgrenzen nicht überschritten werden. Gewerkschaften wie ADEXA warnen zu Recht vor gesundheitlichen Risiken. Aber darin liegt auch die Chance: Apotheken, die klare Leitplanken setzen, können zeigen, dass anspruchsvolle Versorgung und attraktive Arbeitsbedingungen Hand in Hand gehen. Die Einführung gesundheitsgerechter Schichtmodelle mit festen Pausen und ausreichenden Ruhezeiten sendet ein starkes Signal: Hier wird Verantwortung übernommen – für die Patientensicherheit genauso wie für das Wohl der Mitarbeitenden.
Manche Beschäftigte empfinden längere Schichten sogar als positiv, weil sie dafür mehrere echte Erholungstage am Stück erhalten. So können Körper und Geist besser regenerieren, was die Leistungsfähigkeit steigert und die Zufriedenheit im Team erhöht. Entscheidend ist, dass die Gestaltung mit Augenmaß erfolgt: Niemand sollte dauerhaft überlastet werden, vielmehr gilt es, einen gesunden Rhythmus zu fördern.
Gesetzliche Rahmenbedingungen als Schutzschirm
Das Arbeitszeitgesetz schreibt Pausen und Ruhezeiten verbindlich vor – elf Stunden zwischen zwei Arbeitstagen, mindestens 45 Minuten Pause bei Schichten über neun Stunden. Diese Vorgaben sind nicht nur Einschränkungen, sondern auch Schutzmechanismen, die genutzt werden können, um gesunde Arbeitsrhythmen zu schaffen. Wer Ausgleichszeiten konsequent einplant, fördert langfristig Motivation und Leistungsfähigkeit.
Für Apotheken bieten diese Regeln auch Chancen in der Kommunikation: Teams können darauf vertrauen, dass Pausen und Ruhezeiten nicht „vergessen“ werden, sondern fester Bestandteil des Arbeitstages sind. Das steigert das Vertrauen in die Arbeitgeber und sorgt dafür, dass Mitarbeitende die oft hohen Anforderungen des Berufsalltags dauerhaft bewältigen können.
Flexibilität macht attraktiv
Lange Öffnungszeiten und Notdienste verlangen flexible Lösungen. Modelle mit Überschneidungen oder variablen Dienstlängen helfen, Stoßzeiten abzufangen. Digitale Schichtbörsen bringen zusätzliche Freiheit: Dienste lassen sich unkompliziert tauschen, Planungen transparent einsehen. Besonders die Generation Z legt Wert auf Mitbestimmung und Flexibilität – aber auch erfahrene Mitarbeitende profitieren von Transparenz und weniger Zettelwirtschaft. Das Ergebnis: mehr Eigenverantwortung, weniger Fremdbestimmung.
Familienfreundlich und nachhaltig
Längere Schichten eröffnen neue Freiräume. Gebündelte freie Tage erleichtern Eltern die Organisation der Kinderbetreuung und schaffen mehr gemeinsame Zeit mit Familie. Wer weniger Arbeitstage hat, fährt auch weniger – das spart nicht nur Geld und Zeit, sondern reduziert gleichzeitig den CO₂-Ausstoß. In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit zunehmend wichtig wird, lassen sich durch längere Arbeitstage also auch gesellschaftlich relevante Ziele unterstützen.
Zudem können Mitarbeitende ihre Lebensqualität verbessern, indem sie längere Freizeitblöcke für Hobbys, Weiterbildung oder Erholung nutzen. Für Apotheken entsteht so die Chance, nicht nur ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, sondern aktiv zur Work-Life-Integration und zu einem nachhaltigen Lebensstil beizutragen.
4-Tage-Woche – ein starkes Signal
Die 4-Tage-Woche mit längeren Schichten ist in anderen Branchen längst etabliert und könnte auch in Apotheken ein attraktives Modell sein. Sie verbindet die Vorteile größerer Freizeitblöcke mit planbarer Einsatzzeit und steigert zugleich die Arbeitgeberattraktivität. Für viele Mitarbeitende ist ein zusätzlicher freier Tag pro Woche ein echter Gewinn – und für Apotheken ein Argument im Wettbewerb um Fachkräfte.
Dieses Modell lässt sich je nach Bedarf flexibel anpassen: So kann der freie Tag festgelegt oder variabel gestaltet werden, um persönliche Bedürfnisse oder betriebliche Anforderungen zu berücksichtigen. In Betrieben, in denen diese Form der Arbeitszeitverkürzung erprobt wurde, berichten Mitarbeitende häufig von gesteigerter Motivation und höherer Zufriedenheit.
Zukunft gestalten statt abwarten
Der 10-Stunden-Tag wird bleiben. Entscheidend ist nicht, ob er existiert – sondern wie er gestaltet wird. Mit flexiblen Modellen, Mitsprachemöglichkeiten und digitalen Werkzeugen wird aus einer potenziellen Belastung ein echtes Zukunftsmodell. Apotheken, die diesen Weg gehen, gewinnen motivierte Mitarbeitende, sichern ihre Attraktivität im Wettbewerb um Fachkräfte und verbessern gleichzeitig die Versorgungssicherheit.
Kurz gesagt: Der 10-Stunden-Tag ist kein Schreckgespenst. Mit Teamgeist, Organisation und Mut zur Flexibilität kann er zu einem Werkzeug werden, das Versorgung garantiert und Lebensqualität schenkt. Eine Herausforderung – ja. Aber vor allem eine Chance, die jetzt aktiv gestaltet werden sollte.
Jens Gerstenecker
ist Geschäftsführer der MEP24 Software GmbH und arbeitet an Lösungen zur Mitarbeitereinsatzplanung, Arbeitszeiterfassung und Teamführung.
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Bildnachweis: MEP24 Software GmbH, Canva Pro